Risikoverhalten am Arbeitsplatz verstehen

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Erfahren Sie, wie Sie die Gefahren bewältigen können, die durch menschliches Verhalten und Fehler entstehen. Überdenken Sie Ihren Ansatz für Risikomanagement mit Iron Mountain.

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Sascha Votteler
1. Dezember 20237 Min.
Risikoverhalten am Arbeitsplatz verstehen

Von Sascha Votteler, Head of Health & Safety Nordics, Baltics, DACH & Poland / DPO Germany

Von Dr. Nilufar Ahmed, Diplom-Psychologe und Dozent für Sozialwissenschaften an der Universität Bristol

Nach einer Zeit intensiver Turbulenzen konzentrieren sich Führungsteams auf die strategische Planung. Dabei gelten Lösungen zum Aufbau von Resilienz als der "heilige Gral". Denn um erfolgreich zu sein, ist es unerlässlich, die potenziellen Schwachstellen einer Organisation umfassend zu analysieren. Ein wichtiger Bereich, der oft übersehen wird, ist die Bedrohung durch menschliches Verhalten und Fehler, die – obwohl meist unbeabsichtigt – sowohl Geld kosten, als auch einen erheblichen Reputationsschaden verursachen können. Aus diesem Grund ist es bei der mittelfristigen Planung und vor dem Hintergrund des hybriden Arbeitens von entscheidender Bedeutung, dass Unternehmen den Ansatz ihres Risikomanagements überdenken.

Die jüngste europaweite Studie1 von Iron Mountain kommt zu dem Schluss, dass Unternehmen aufgrund eines mangelnden internen Risikobewusstseins zunehmenden Bedrohungen ausgesetzt sind. Eine Umfrage unter rund 11.000 Mitarbeitern ergab, dass 44 Prozent der Befragten bei der Arbeit schon einmal einen "kritischen" Fehler gemacht haben, und 14 Prozent sind ein Risiko eingegangen, das ihr Unternehmen Geld gekostet hat.

Obwohl drei Viertel der Arbeitnehmer in der EMEA-Region der Meinung sind, dass Risikomanagement für den Schutz sensibler Informationen unerlässlich ist, hält es mehr als die Hälfte (54 %) immer noch für lohnenswert, bei der Arbeit Risiken einzugehen. Fast ein Viertel (23 %) ist sogar schon einmal Opfer von Betrug oder Phishing geworden.

Die menschliche Psychologie zu verstehen, kann helfen, diesen wesentlichen organisatorischen Risikofaktor zu erklären und anzugehen. Aus diesem Grund habe ich mit Dr. Nilufar Ahmed, Diplom- Psychologe und Dozent für Sozialwissenschaften an der Universität Bristol, Großbritannien, gesprochen, um psychologische Erkenntnisse über dieses Phänomen zu gewinnen.

Die folgenden Erkenntnisse spiegeln die EMEA-weiten Umfrageergebnisse wide.

Sascha Votteler: Dr. Nilufar, können Sie erklären, was hinter diesem risikobereiten Verhalten steckt?

Dr. Nilufar: „In unserer schnelllebigen Welt werden immer größere Risiken eingegangen, um die Effizienz zu maximieren. In Sektoren, in denen die Erwartungen an die Qualität der Dienstleistungen hoch sind und die Ressourcen schwinden, kann die Risikobereitschaft zur Normalität werden. Vor diesem Hintergrund kann es für den Einzelnen durchaus verlockend sein, an der falschen Stelle zu sparen, um diese benötigten Dienstleistungen zu erbringen. Leider steigt mit der Risikobereitschaft auch die Wahrscheinlichkeit von Fehlern, die weitreichende Folgen sowohl für den Einzelnen als auch für die Organisation haben können.“

Sascha Votteler: Warum, glauben Sie, sind Menschen bereit, solche Risiken einzugehen?

Dr. Nilufar: „Wenn es um die Risikowahrnehmung geht, neigen wir oft zu Optimismus, selbst, wenn wir uns der Risiken bewusst sind. Laut der Studie von Iron Mountain verwenden beispielsweise 27 Prozent der Mitarbeiter in der EMEA-Region dasselbe Passwort für mehrere Plattformen. Obwohl wir wissen, dass wir das nicht tun sollten, glauben wir nicht, dass uns etwas Schlimmes passieren wird. Dazu sind wir auch Gewohnheitstiere. Wir mögen Vertrautheit und Routinen, weil sie uns ein Gefühl der Sicherheit vermitteln. Die Überzeugung, dass wir sicher sind, führt dazu, dass wir Risiken unterschätzen und die Vorsichtsmaßnahmen, die wir zu ihrem Schutz ergreifen, überbewerten. Das gilt insbesondere bei alltäglichen, scheinbar banalen Tätigkeiten.“

Sascha Votteler: Glauben Sie, dass hybrides Arbeiten einen Einfluss darauf hat, wie wir Risiken bewerten?

Dr. Nilufar: „Auf jeden Fall. In der Umfrage gab mehr als ein Drittel (39 %) der Arbeitnehmer zu, zu Hause weniger sicherheitsbewusst zu sein als im Büro. Die neuen hybriden Arbeitsmodelle machen es dringend erforderlich, dass sich damit befasst wird, wie Daten verwaltet, gehandhabt und geschützt werden. Da erwartet wird, dass dies in Zukunft ein Standardarbeitsmodell sein wird, täten Unternehmen gut daran, diese Erkenntnisse in ihre langfristigen Strategiegespräche einzubeziehen. Wenn sich die Mitarbeiter der Gefahren nicht bewusst sind, die ihre Handlungen unbeabsichtigt verursachen können, werden diese Verhaltensweisen wahrscheinlich fortgesetzt. Aus diesem Grund sind Schulungen zum Datenmanagement und zur Sicherheit in hybriden Umgebungen unerlässlich. Das effektivste Lernen beinhaltet Interaktion, Beteiligung und Reflexion.“

„Darüber hinaus: Auch wenn die Arbeit von zu Hause aus für viele ein besseres Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben bringen kann, gibt es immer mehr Belege dafür, dass ohne die traditionellen stressmindernden Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben die Gefahr von Burn-out und Erschöpfung größer ist. Mit zunehmender Müdigkeit sinken Motivation und Engagement, wodurch die Wahrscheinlichkeit von Fehlern erhöht wird, was wiederum Stress und Ängste verstärkt. Es werden sich zunehmend die Organisationen durchsetzen, die eine starke Unternehmenskultur aufgebaut haben, welche den Einschränkungen des Laptop-Bildschirms gewachsen ist.“

Sascha Votteler: Das ist ein interessanter Zusammenhang zwischen Burnout und Fehlern am Arbeitsplatz. Sollten Unternehmen das ernst nehmen?

Dr. Nilufar: „Letztlich sind resiliente Prozesse = resiliente Mitarbeiter. Doch mehr als die Hälfte aller verlorenen Arbeitstage in der EU sind auf arbeitsbedingten Stress zurückzuführen, und die geschlechtsspezifischen Unterschiede zeigen, dass Frauen eher unter Stress am Arbeitsplatz leiden als Männer. Die Ergebnisse der Iron Mountain-Studie bestätigen dies ebenfalls: Frauen berichteten, dass sie sich gestresster, besorgter und panischer fühlten als männliche Befragte, wenn sie das Gefühl hatten, bei der Arbeit einen kritischen Fehler gemacht zu haben.“

„Das Einrichten von Prozessen zur Verringerung von Unsicherheiten kann das Wohlbefinden aller Mitarbeiter verbessern. Systeme können eine psychologische Sicherheit schaffen und Sorgen verringern, indem sie eine Art Schutzschicht am Arbeitsplatz bieten. Resiliente Systeme können zu zufriedeneren, belastungsfähigeren Mitarbeitern führen, was das Vertrauen stärkt und sich in höherer Produktivität und Rentabilität niederschlägt.“

1Umfrage unter 11.000 Arbeitnehmern in 10 Ländern, durchgeführt im September 2021 von One Poll.